Die Wahl eines Beirats – also einer Vertretung der in einem Wohnangebot lebenden Menschen – ist in § 14 des Hamburgischen Wohn- und Betreuungsqualitätsgesetz (HmbWBG) festgeschrieben: „Der Wohnbeirat wird in freier, gleicher, geheimer und unmittelbarer Wahl für zwei Jahre, in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen für vier Jahre, gewählt.“ Dieses Gesetz gilt für die besondere Wohnform, aber auch im ambulanten Bereich und in den Tagewerken gibt es mit den sogenannten Interessenvertretungen eine Möglichkeit der Mitbestimmung. In der alsterdorf assistenz west sind die Beiräte und ihre Vertreter*innen weit mehr als eine gesetzliche Verpflichtung: Sie sind ein essentieller Bestandteil der konsequenten Ausrichtung der Assistenzangebote in Richtung Personenzentrierung.
Wie dieses Selbstvertretungsorgan in einer Hausgemeinschaft arbeitet, wirkt und im Unternehmen verankert sind, darüber haben wir mit den Beirät*innen Janne und Karl Nolze und Felix Ahlbrecht aus der Hausgemeinschaft Lüttkamp sowie dem Assistenzteamleiter Paul Banduch und Stephanie Czapelka, Mitarbeiterin im Qualitätsmanagement, gesprochen.
Liebe Frau Nolze, lieber Herr Nolze und lieber Herr Ahlbrecht,
vielen Dank, dass Sie sich Zeit für ein Interview nehmen! Seit wann sind Sie in Ihrer Funktion als Beirät*innen aktiv?
Karl Nolze: Wir wohnen schon seit 15 Jahre hier im Lüttkamp, also von Beginn des Wohnangebots bis heute und sind auch schon vom Start an im Wohnbeirat mit dabei. Ich bin erster Wohnbeirat, meine Frau Janne und Herr Alhbrecht sind zweite Wohnbeirät*innen.
Warum haben Sie sich dazu entschieden, dieses Amt zu übernehmen? Was bedeutet Ihnen Ihr Amt?
Karl Nolze: Alle haben eigene Bedürfnisse und sollen sich hier wohl fühlen. Man kann über alles reden, keiner soll mit seinen Sorgen allein gelassen werden. Dafür fühle ich mich verantwortlich. Und ich bin auch stolz auf das Amt. Denn es ist eine wichtige Position.
Janne Nolze: Unsere Wohnung und die Gemeinschaft sind sehr schön. Das soll so bleiben, deswegen habe ich mich meinem Mann im Wohnbeirat angeschlossen.
Felix Ahlbrecht: Ich bin gerne Wohnbeirat, weil es ein wichtiger Posten ist. Man kann Vorschläge machen und alle müssen zuhören.
Was gehört denn alles zu Ihren Aufgaben?
Karl Nolze: In regelmäßigen Abständen gibt es eine Mitbewohner*innen-Besprechung. Wir drei sammeln alle Themen ein, die die komplette Hausgemeinschaft betreffen und erklären, was so ansteht – zum Beispiel gerade jetzt die große Baustelle im Haus. Wir schreiben dann auch ein Protokoll und schicken das an Paul Banduch. Herr Banduch ist Assistenzteamleiter des Wohnhauses in Lüttkamp.
Aber unsere Mitbewohner*innen sprechen mich auch außerhalb der Besprechungen an, wenn es ein Problem gibt. Manche wissen nicht, wie sie mit der Wohnleitung sprechen können, sie trauen sich nicht – dann helfe ich. Ich hatte auch mal einen „Kummerkasten“ aufgehängt, wo man Zettel reinschmeißen konnte. Der hat aber nicht viel gebracht. Die Leute reden lieber mit mir.
Felix Ahlbrecht: Außerdem gibt es alle drei Monate ein Treffen der Wohnbeirät*innen aus unserer Region. Da gehe ich sehr gerne hin. Da tauschen sich die Wohnbeirät*innen untereinander aus und unterstützen sich gegenseitig.
Warum ist es aus Ihrer Sicht wichtig, dass es einen Beirat gibt?
Karl Nolze: Es ist wichtig, im Haus mitzusprechen und für die Bewohner*innen da zu sein. Es ist ja unser Haus, da müssen wir mitbestimmen. Es darf nicht über unseren Kopf hinweg entschieden werden! Ohne Wohnbeirat sind wir nicht so stark. Wir sprechen auch mit der Leitung, wenn jemand ein Problem hat – ohne Namen, ganz anonym.
Paul Banduch: Für mich ist der Wohnbeirat sehr wichtig. Die Beirät*innen sind wichtige Mittler*innen zu den Bewohner*innen, zum Beispiel für Informationen, die für alle relevant sind. Sie sind gut vernetzt im Haus. So spielen sie eine entscheidende Rolle bei konkreten Verbesserungen, zum Beispiel bei der Umsetzung der Ergebnisse, die im Rahmen der Qualitätskreise besprochen wurden.
Wo und wie wirken Sie als Beirät*innen, damit das Zusammenleben hier im Haus noch mehr den Vorstellungen der Bewohner*innen entspricht?
Karl Nolze: Als wir hier einzogen, gab es an den Aufzügen Aufkleber mit der Aufschrift „Im Brandfall nicht benutzen“. Aber viele können hier gar nicht lesen. Deswegen haben wir dafür gesorgt, dass es jetzt einen Aufkleber mit Metacom-Symbol gibt – das verstehen alle.
Außerdem wird es jetzt bald einen Bollerwagen für das Haus geben: Das war ein Wunsch aller Bewohner*innen, damit das Einkaufen, zum Beispiel auch für unser Sommerfest, einfacher wird. Das haben wir auf einer Mitbewohner*innen-Besprechung beschlossen und dann sind Janne und ich ins Gespräch mit Paul Banduch gegangen.
Außerdem sind wir auch bei den Angehörigen-Abenden dabei. Und das ist auch ganz gut, denn manchmal haben wir eine andere Sichtweise. Wir wohnen hier, wir haben einen guten Einblick in alles.
Felix Ahlbrecht: Es gibt hier eine Info-Wand vom Wohnbeirat. Da habe ich ein Foto vom neuen Vorstand hingehängt. Jetzt wissen alle, wie er aussieht. Ich mache mich stark dafür, dass es mehr Mitarbeiter*innen gibt. Das ist mein zentrales Thema.
Wie führen Sie denn die Wahl bei Ihnen durch?
Felix Ahlbrecht: Der Wahlausschuss bereitet die Wahl vor, damit haben wir gar nichts zu tun. Das dürfen wir auch nicht, sonst hätten wir ja vielleicht einen Vorteil!
Was wünschen Sie sich? Haben Sie Ideen für die Zukunft? Möchten Sie weiter als Beirät*innen arbeiten?
Felix Ahlbrecht: Selbstverständlich werden wir uns wieder zur Wahl stellen. Denn es soll ja immer schön hier bleiben, wir wollen schöne Feste feiern und gut leben.
Als Mitarbeiterin im Bereich Qualitätsmanagement sichert Stephanie Czapelka die Umsetzung des Konzepts der alsterdorf assistenz west zur Beiratsarbeit.
Liebe Frau Czapelka, warum sind Beiräte für das Unternehmen alsterdorf assistenz west denn wichtig?
Stephanie Czapelka: Das Ziel der Beiräte und Interessensvertretungen ist die Sicherung und Stärkung der Mitwirkung der Klient*innen im Sinne einer selbstbestimmten Partizipation – und genau das macht sie für uns zu einem zentralen Organ. Denn die alsterdorf assistenz west erbringt alle ihre Dienstleistung personenzentriert - d.h. unsere Angebote sind konsequent auf den Willen der Klient*innen ausgerichtet, Selbstbestimmung steht also bei uns im Zentrum. Die Beirät*innen bündeln den Willen der Klient*innen in einem Angebot und sichern damit die Selbstbestimmung. Gleichzeitig spielen sie die Rückmeldungen der Klient*innen an das Unternehmen zurück – in diesem Austausch können wir uns verbessern und die Personenzentrierung der Dienstleistungen noch weiter schärfen.
Wie unterstützten Sie die Beiratsarbeit?
Stephanie Czapelka: Wenn Bedarf ist, unterstütze ich im Rahmen eines Qualitätsentwicklungsprozesses bei der Wahl. Wir schauen gemeinsam: Was brauchen wir für die Wahl und wer macht was. Alles geschieht in Leichter Sprache und mit den Kommunikationsformen, die für die jeweiligen Klient*innen gut funktionieren. So können alle an den Wahlen teilnehmen. Außerdem stelle ich sicher, dass die notwenigen Rahmenbedingungen erfüllt sind: Jeder Beirat erhält ein Jahresbudget, aus dem die Kosten, z.B. für notwenige Sachausgaben oder externe Begleitung, bestritten werden. Auch wichtig: Ein Briefkasten oder Postfach für Rückmeldungen an den Beirat, ein Schaukasten für Informationen und eine Möglichkeit, ungestört Gespräche zu führen und eine geschulte Persönliche Assistenz.
Und wie unterstützten Sie die Beiräte, wenn die Wahlen beendet sind?
Stephanie Czapelka: Ich unterstütze die gewählten Beiräte zum Beispiel dabei, zu vereinbaren, wie sie arbeiten wollen und was sie brauchen, um ihre Aufgabe gut erfüllen zu können. Wenn es Probleme oder Fragen gibt, bin ich Ansprechpartnerin für die Beiräte und Interessenvertreter – selbstverständlich gibt es auch die Möglichkeit, für die Räte, sich durch eine unabhängige Ombusperson beraten zu lassen. Außerdem haben alle Beiräte das Recht auf Fortbildungen: Wir nutzen zum Beispiel auch das Fortbildungsprogramm „Starke Beiräte“ der Firma Gut Gefragt. Inhalte und Formate wurden gemeinsam mit Fachkräften mit Behinderung entwickelt, sie führen gleichzeitig als Kursleiter*innen durch die Weiterbildungen. Ziel der Kurse ist es, die Wohnbeiräte und Interessenvertretungen in ihrer Funktion zu stärken. Insgesamt ist es unser Ziel, dass alle Assistenznehmer*innen darin gestärkt werden, ihre Interessen und Anliegen zu vertreten – gegenüber der alsterdorf assistenz west und gegenüber ihrem Lebensumfeld!
Text: Melanie Nähring, Stephanie Czapelka
Dieser Artikel erschien ursprünglich im alsterdorf Magazin 03 2024.
Veröffentlichungsdatum: